In vielen Unternehmen jagt eine Restrukturierung die nächste. Je höher die Frequenz, desto größer der Anspruch an die Change-Kommunikation: Denn Mitarbeiter sind angestrengt und bewegen sich oftmals zwischen Ohnmacht und Auflehnung. Umso wichtiger ist es, kontinuierlich mit Ihnen im Dialog zu sein. Die Change-Kommunikation hat eine wichtige Rolle: Zu verstehen, was notwendig ist, um das Unternehmen für die Zukunft zu rüsten, ist Grundlage dafür, dass die Mitarbeiter Veränderungen nicht nur akzeptieren, sondern aktiv und motiviert die Zukunft mitgestalten. Hinter den Zukunftsprogrammen steht nicht selten eine Kombination von Digitalisierungs-, Effizienz-, Spar- und Streamlining-Maßnahmen, die ganz häufig mit strukturellen Veränderungen und Stellenabbau verbunden sind.
Change-Unterstützung in erfolgskritischen Situationen
Was aber, wenn die Ankündigung einer solchen Restrukturierung ansteht und die personellen Ressourcen in der Kommunikationsabteilung nicht ausreichen, um in dieser kritischen Situation unter meist hohem Zeitdruck den „Tag X“ professionell vorzubereiten? Wenn es gilt, einen durchdachten Kommunikationsplan aufzusetzen, in dem sich gezielte Maßnahmen gegenseitig verstärken? Notwendigkeit, Dringlichkeit, Weg und Ziel der Restrukturierung sollen – jenseits einer rein betriebswirtschaftlichen Logik – so erklärt werden, dass Mitarbeiter bei der Stange bleiben, dass sie die Veränderung nicht als Bedrohung, sondern als Chance für das Unternehmen und die Mitarbeiter begreifen.
Storyline, Präsentationen, passgenaue Botschaften für verschiedene Zielgruppen in unterschiedlichen Einheiten und Standorten weltweit, Formate für die internen Medien, Townhall-Meetings, CEO-Videos, Enablement-Pakete für Führungskräfte inklusive ausführlicher Q&As etc. – all diese Kommunikationsmaßnahmen müssen unter meist hohem Zeitdruck vorbereitet werden. Und mit der Ankündigung des Change ist es nicht getan – auch und gerade im Anschluss daran wollen Mitarbeiter und Führungskräfte weiterhin informiert, involviert und befähigt werden. Nur so bleibt Kommunikation verlässlich – und die Kommunikationsabteilung vertrauenswürdig.
Kommunikationsteams verstärken – auch vor Ort
Als strategische Kommunikatorin bin ich spezialisiert auf solche Veränderungssituationen und unterstütze Kommunikationsabteilungen je nach Bedarf – als Change-Beraterin, Redakteurin und Projektmanagerin. In heißen Phasen auch auf Wunsch on-site, direkt am Puls und im Austausch mit allen relevanten Stakeholdern.
Mit dem Biotechnologieunternehmen QIAGEN arbeite ich bereits seit 2016 zusammen. Welche Dinge sind bei den Change-Projekten besonders wichtig? Darüber habe ich mit Kerstin Walter, Director Global Internal Communications von QIAGEN, gesprochen.
QIAGEN bewegt sich in einer sehr dynamischen Branche, der Biotechnologie. Was bedeutet das für die Kommunikatoren bei QIAGEN?
Es stimmt, in unserer Branche verändern sich die Kundenbedürfnisse und der Markt rasant. Für uns heißt das: Unsere Strategie immer wieder kritisch zu überprüfen und uns dabei bedingungslos auf unsere Kunden zu konzentrieren. Unsere Mitarbeiter sind tagtäglich mit unzähligen Themen konfrontiert. Als Kommunikatoren ist es unsere Aufgabe, sie dabei zu unterstützen, diese Themen zu verstehen, einzuordnen und zu priorisieren. Wir müssen fundierte Entscheidungen treffen, auf Veränderungen reagieren, Fehlentwicklungen schnell erkennen und wenn nötig den Kurs wechseln.
Sie steuern die Interne Kommunikation bei QIAGEN als „One-Woman-Show“ aus Hilden – und das für alle Stakeholder weltweit. Respekt! Wie funktioniert das?
Genau, wir steuern die gesamte Kommunikation zentral aus Hilden. Und das ist natürlich mit einigen Herausforderungen verbunden. Die erste haben Sie schon in der Frage benannt: Die vielen Stakeholdergruppen, die wir bedienen, und mit denen wir im Austausch stehen. In der Vergangenheit haben wir in Hilden zu laufenden Veränderungsprozessen aus anderen Standorten manchmal einfach zu wenig Feedback bekommen. Hier hilft uns jetzt unser Change Agent Network: Wir haben ungefähr 50 Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen, Ebenen und allen Standorten, mit denen wir kontinuierlich in Kontakt stehen. Sie geben uns Feedback und wir versorgen sie mit wichtigen Informationen, die sie wiederum weitertragen. Kontinuierliches, weltweites Networking ist also ein ganz wichtiger Aspekt meiner Arbeit.
Grundsätzlich setzen wir bei QIAGEN ganz bewusst auf schlanke Team-Aufstellungen, so auch in der Kommunikation. In erfolgskritischen Phasen, in denen wir z. B. durch anstehende große Announcements ein stark erhöhtes Arbeitsaufkommen haben, holen wir uns projektweise kompetente externe Unterstützung an Bord. Tatsächlich genieße ich solche Projekte trotz des zusätzlichen Stresses sehr, denn wir arbeiten dann wirklich als Team, alle zusammen hier vor Ort, und entwickeln eine große Schlagkraft. Das macht dann einfach auch Spaß.
Was sind aus Ihrer Sicht in Change-Prozessen die erfolgskritischen Faktoren in der Kommunikation mit Führungskräften und Mitarbeitern?
Wir setzen auf Offenheit, Transparenz und Ehrlichkeit. Auch in schwierigen Phasen nennen wir die Dinge – soweit es geht – beim Namen. Alles andere würde nach hinten los gehen. Bedingt durch unsere Börsennotierung können wir zu manchen Entscheidungsprozessen allerdings nicht ganz so offen kommunizieren, wie wir es gern tun würden – um keine Rechtsverstöße zu begehen. Da heißt es dann für alle erst einmal „aushalten“ und das kann schon mal Nerven kosten.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Kontinuität. Es reicht nicht, eine bedeutende Ankündigung in die Organisation zu tragen und dann wieder zu verstummen. Die Mitarbeiter wollen weiter informiert bleiben. Sie wollen wissen, was es genau für ihre eigene Tätigkeit bedeutet. Auch die Beteiligung des Top-Managements ist uns enorm wichtig. Unsere Mitarbeiter wollen von ihnen persönlich hören, wie sie die aktuellen Entwicklungen einordnen. Eine offene Diskussions- und Feedbackkultur gehört dazu. Deswegen setzten wir in der Kommunikation stark auf Dialogformate.
Die Beteiligung der Führungskräfte ist ein Schlüssel für das Gelingen des Wandels. Werden Führungskräfte bei Ihnen besonders unterstützt? Mit welchen Maßnahmen?
Ja, unbedingt. In einer komplexen, globalen Organisation sind die Führungskräfte wichtige Multiplikatoren, gerade in der Change-Kommunikation. Bei QIAGEN gibt es regelmäßige Calls mit dem Management zu allen wichtigen Entscheidungen und Informationen, zu den Quartalsergebnissen, zu Wechseln im Top-Management und natürlich zu besonderen Themen wie einer Restrukturierung.
Dafür liefern wir ihnen gesonderte Vorabinformationen und Sprachregelungen. Denn schließlich sind sie diejenigen, die im Alltag von ihren Mitarbeitern mit Fragen konfrontiert werden. Darauf bereiten wir sie gut vor.
Sehr gut angenommen wird neben den Telefonkonferenzen auch unser Leadership Day: An diesem Tag treffen sich unsere Führungskräfte, um ein aktuell besonderes wichtiges Führungsthema zu diskutieren und zu bearbeiten.
QIAGEN ist ein globales Unternehmen mit weltweit verteilten Standorten. Wie funktioniert da die Vermittlung von Entscheidungen? Jeder soll ja möglichst gleichzeitig die News erfahren…
Damit die Kommunikation konsistent ist und global funktioniert – QIAGEN ist in 85 Ländern weltweit vertreten – braucht es natürlich eine gute Vorbereitung und Planung.
Zunächst gilt es, rechtzeitig alle wichtigen Multiplikatoren zu identifizieren und sich mit ihnen zu vernetzen. An allen relevanten Standorten wollen Mitarbeiterversammlungen geplant werden, da braucht es viele Helfer.
Eine besondere Herausforderung ist, dass möglichst zeitgleich alle Mitarbeiter informiert werden sollen – über mehrere Zeitzonen hinweg. Wir legen auch Wert darauf, dass zumindest an den Hauptstandorten ein Mitglied des Top-Managements selbst vor Ort ist, um die Mitarbeiter persönlich über die Veränderungen zu informieren. Wir stellen unseren Führungskräften rechtzeitig Storyline, Kernbotschaften, Präsentationen und Q&As zur Verfügung.
Welche Formate und Kanäle nutzen Sie, um kontinuierlich Kommunikation zur Veränderung in die Organisation zu tragen?
Wir legen hier besonderen Wert auf persönliche Kommunikation. Das heißt, wir halten Mitarbeiterversammlungen ab, wenn es große Ankündigungen gibt. Weitere Vertiefung findet in regelmäßigen Telefonkonferenzen mit dem Top-Management statt, in dem die Mitarbeiter Fragen stellen können und in denen auch zu ehrlichem Feedback aufgerufen wird. Dazu kommen die Teammeetings, um die Veränderungen auf die Arbeit einzelner Einheiten oder Personen herunterzubrechen. CEO-Frühstücke geben Mitarbeitern die Möglichkeit, dem CEO Fragen zu stellen, was gern angenommen wird. Und daneben haben wir u. a. Yammer als unseren internen Social Media-Kanal, in dem diskutiert wird, klassische E-Mail-Botschaften und natürlich unser Mitarbeitermagazin, den QIAGENer.
Zu wichtigen Themen, bei denen es etwas mehr Kommunikationsbedarf gibt, machen wir häufig Videobotschaften mit unserer Geschäftsführung. Sie werden von unseren Mitarbeitern sehr gut angenommen und sind einfach persönlicher als eine normale E-Mail-Info.
Die Notwendigkeit zur stetigen Veränderung ist in vielen Unternehmen zur Konstante geworden. Auch bei QIAGEN?
Ich würde es so sagen: Veränderung ist fester Bestandteil unseres Lebens und unserer täglichen Arbeit – nicht nur hier bei QIAGEN. Wenn man Menschen dazu bewegen kann, Veränderung nicht als Bedrohung, sondern auch als Chance zu begreifen, ist viel gewonnen. Denn dann kann auch nach schwierigen Einschnitten schnell wieder Normalität einkehren. Vermutlich ist das bis auf Weiteres tatsächlich der Kern unserer Arbeit als Kommunikatoren.
Kerstin Walter verantwortet bei QIAGEN seit 2015 die Interne Kommunikation. Als Director Global Internal Communications hat sie das Biotechnologieunternehmen und seine rund 5.200 Mitarbeiter kommunikativ bereits durch die eine oder andere Veränderung begleitet.
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